Deutschland/Indonesien: Impressionen einer Reise – Unser neues Vorstandsmitglied besucht Projektstandorte in Indonesien
14. Juli 2023Global Micro Initiative e.V. in Indonesien: Bali, Lombok, Nusa Penida – drei Inseln, ein Ziel: Armut reduzieren, nachhaltige Entwicklung fördern
24. Juli 2023Als ich voller Vorfreude in das Flugzeug Richtung Südostasien stieg, ahnte ich schon, dass diese Reise mehr für mich bereithalten würde als nur Geschichten von Menschen einer mir fremden Kultur. Zwei Wochen und viele bewegende Begegnungen später kann ich sagen: Es war die emotionalste Reise meines Lebens. Warum?
Das Lachen spielender Kinder erklingt aus einer schmalen Seitengasse. Irgendwo bellt ein Hund. Ein Mädchen, vielleicht 5 Jahre alt, kommt zu mir, nimmt meine Hand und berührt damit ihre Stirn, bevor sie schüchtern lächelnd wieder davonläuft. Die schwülheiße Luft ist erfüllt vom beißenden Geruch des offenen Abwasserkanals neben der Straße. Leichter Wind weht den Rauch eines Feuers zu uns herüber: Ein Mann sitzt am Straßenrand und nutzt einen über das Feuer gestülpten Metalleimer als Ofen, um sein Essen zuzubereiten. Gemeinsam mit dem Team unseres Projektstandortes Olongapo bin ich unterwegs zu Heidileen C., die hier in diesem Armenviertel lebt.
Zuversicht trotz schwieriger Zeiten
Wir treffen Heidileen in ihrem kleinen Kiosk, den sie vor kurzem von ihrer Mutter übernommen hat. Heidileens Mutter führte den Kiosk seit 10 Jahren, kann aber krankheitsbedingt das Geschäft nicht fortführen. Ich erlebe Heidileen als eine fröhliche Frau, die sich trotz der schwierigen Situation ihre Zuversicht nicht nehmen lässt. Mit einem Mikrokredit, den unsere Hilfsorganisation ermöglicht hat, erweiterte sie ihr Warenangebot und möchte so durch die zusätzlichen Einnahmen die finanzielle Mehrbelastung der Familie decken, die durch die Erkrankung der Mutter entstanden ist. Helfen wird ihr dabei eine App, die sie durch Global Micro Initiative e.V. kennengelernt hat.
Mit ihr kann sie für ihren Kiosk werben, neu eingetroffene Waren bekanntmachen und Kundenanfragen beantworten. „Andere Kioskbesitzer in der Nähe haben diese App nicht”, erzählt mir Heidileen. „Das kann ich nutzen, um neue Kunden zu gewinnen.”
Kleinstunternehmerinnen mit Ideen, Ausdauer und festen Zielen vor Augen
Anthony, unser Country Manager und Projektkoordinator am Projektstandort Olongapo, hatte den Besuch bei 13 der von Global Micro Initiative e.V. geförderten Kleinstunternehmerinnen vorbereitet. All diese Frauen begrüßten uns mit großer Herzlichkeit und zeigten uns ihre Produkte, schilderten ihre Geschäftsidee, erzählten von ihren Träumen oder berichteten davon, wie ihre Kleinstunternehmen mithilfe der Schulungen und Mikrokredite unserer Hilfsorganisation erfolgreicher geworden sind.
Regina V. zum Beispiel stellt Spülmittel her. In einem unserer Seminare lernte sie, wie wichtig Markennamen sind. In Erinnerung an ihren verstorbenen Mann heißt die Marke ihres Spülmittels jetzt „Pablo’s Dishwashing Liquid”. Alona D., Gewinnerin unseres Buchhaltungswettbewerbs, zeigte uns voller Stolz ihre Nähmaschinen und berichtete von einem Großauftrag, den sie inzwischen erhalten hat. Der Buchhaltungskurs hilft ihr, ihre Einnahmen und Ausgaben im Blick zu halten und im Marketing-Seminar lernte sie, dass es hilfreich ist, wenn das Kleinstunternehmen einen Namen bekommt. „Ich habe schon ein Schild mit der Aufschrift ‘Alona’s Sewing Shop’ bestellt”, berichtete sie uns. Sie ist inzwischen so erfolgreich, dass sie eine Mitarbeiterin beschäftigen kann. Und Lorena D. erzählte uns von ihrem großen Traum eines eigenen Kiosks. Mithilfe einer Schweine- und Hühnerzucht sowie dem Verkauf von Speisen möchte sie das nötige Geld erwirtschaften, um sich einen guten Warenbestand für den Kiosk kaufen zu können. Auch Lorena nahm an Schulungen teil, die Global Micro Initiative e.V. dank der Spenden durch Unterstützer kostenlos anbieten kann. Hier lernte sie, wie man ein Online-Kleinstunternehmen führt. Jetzt bestellen Kunden bei Lorena Essen, das sie zubereitet und gegen Gebühr auch liefert, was eine zusätzliche Einnahmequelle ist.
Die Gespräche mit diesen Kleinstunternehmerinnen haben mich jedes Mal aufs Neue sehr berührt. Sie sind so voller Dankbarkeit, dass sie ernst genommen werden und dass sie die Chance erhalten, ihre Ziele zu erreichen, das ist einfach unbeschreiblich.
Überall Müll und mittendrin: Hoffnung
Langsam wagen wir uns den glitschigen Pfad hinab. Vorige Nacht hatte es besonders heftig geregnet. Immer wieder ermahnt uns Carmela C. zur Vorsicht. Sie möchte nicht, dass ihre Besucher stürzen und sich verletzen. Endlich sind wir unten angelangt. Im wahrsten Sinne des Wortes. Carmela ist sichtlich erleichtert, dass wir es ohne Unfall schafften. Was wir sehen, verschlägt uns die Sprache. Ich kenne sie alle, die Menschen, die hier bei der Mülldeponie wohnen, kenne ihre Geschichte, habe Bilder und Videos gesehen und über die meisten von ihnen schon bei Veranstaltungen berichtet oder Artikel über sie geschrieben.
Aber dann hier zu stehen, die baufälligen Behausungen zu sehen, den Geruch des modrigen Mülls zu riechen in der schwülen Hitze, Kinder zu erleben, die hier spielen – das ist eine ganz andere, tief berührende Erfahrung. Es bringt die Lebensrealität dieser Menschen auf eine Weise zum Vorschein, die kein Foto oder Bericht jemals einfangen könnte.
Aber trotz dieser Lebensumstände, trotz der offensichtlichen Härten und Herausforderungen erlebe ich hier die Fürsorge der Menschen für uns Besucher, ihre Herzlichkeit, ihre Hoffnungen und ihre Anstrengungen für ein gutes Leben für ihre Familien. Carmela und ihre Nachbarin Geneva E. zeigen uns stolz ihre Küche: eine Feuerstelle mit einem Kochtopf darüber, außerdem eine große Plastikschüssel, die als Spül- und Waschschüssel dient. Im Gespräch erzählt uns Geneva, dass sie in einem Seminar unserer Hilfsorganisation gelernt hat, wie wichtig es ist, zu wissen, was die Kunden möchten. „Jetzt kaufe ich gezielt die Fische auf dem Großmarkt ein, die meine Kunden hinterher auch wirklich möchten, so bleibt am Ende des Tages weniger Fisch übrig und ich habe mehr Einnahmen.” Von Carmela erfahre ich, was Pagpag ist. Wenn ihre Schwiegermutter im Kiosk für sie einspringt, hilft Carmela ihrem Mann bei seiner Arbeit als Müllsammler. Begeistert berichtet sie, dass sie immer wieder auch Essensreste finden. „Fleisch und Gemüse nehmen wir mit nach Hause, waschen es gründlich und kochen es dann nochmals kräftig auf. Dann haben wir eine frische Mahlzeit für uns und die Kinder, die nennen wir Pagpag.”
Einfühlsame engagierte Mitarbeiter
Bei all diesen Besuchen wird mir wieder bewusst, dass auch die Mitarbeiter unseres Teams hier in Olongapo aus den Armenvierteln stammen. Die Art, wie sie über unsere Projektteilnehmer sprechen, die Freundlichkeit und Wertschätzung, mit der sie den Kleinstunternehmerinnen bei unseren Besuchen begegnen, ihr großes Engagement, Wege zu finden, wie man noch besser helfen könnte, berührt mich und macht mich stolz darauf, mit Anthony, Jason und Angelyn gemeinsam daran zu arbeiten, dass Menschen ein besseres Leben haben können.